Familie systemisch betrachtet
Welchen Fokus setzen wir, wenn wir die Familie innerhalb ihres komplexen Umfelds in den Blick nehmen? Akteure aus Politik, Arbeitswelt und pädagogischer Praxis besprechen grundlegende Fragen zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Im Rahmen der Tagung „Familie systemisch betrachtet in Politik und Wirtschaft“ versammelte sich am Freitag, den 27. September im Raika Forum in Bruneck eine aktive Gemeinschaft von unterschiedlichen Beteiligten, die fest zusammen steht, wenn es um das Engagement von Familien geht. Eingeladen vom Bildungsweg Pustertal – BIWEP trafen sich Familienlandesrätin Rosmarie Pamer, Landtagsabgeordnete Waltraud Deeg, der Präsident der Bezirksgemeinschaft Robert Alexander Steger sowie Vertreter und Vertreterinnen von Pustertaler Gemeinden, die in puncto Familienfreundlichkeit mit besonders gutem Beispiel vorangehen. Es gab Einblicke in Best Practice Beispiele von anwesenden Betreuungsanbietern und Arbeitgebern. Der Verein BIWEP selbst wurde für seine familienfreundliche Personalpolitik durch eine Delegation von Handelskammer Bozen und Land Südtirol mit dem dauerhaften Zertifikat „familieundberuf“ ausgezeichnet.
Familien wirken auf Gesellschaft
Es gehe darum, die Fragen richtig herum zu stellen: Als systemischer Coach, deren Herz insbesondere für Kinder und Jugendliche schlägt, ordnete Kathia Nocker in ihrem Impulsreferat die Familie im Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gemeinden ein. Dabei sei es wichtig, nicht nur zu fragen, ob wir als Gesellschaft genug für die Familien tun, sondern auch, was Familien alles für die Gesellschaft leisten. Familie systemisch betrachtet lasse ganz klar ein Geben und Nehmen erkennen: Wenn wir etwas für Familien tun, dann sei das eigentlich ein Dienst an der Gesellschaft. Jede Familie sei ein kleines System, das gesellschaftlich wirkt und Verantwortung für das übergeordnete System trägt. Die Familie als offenes System, das sich in Richtung Gesellschaft und zum Wohle des Ganzen entwickelt, sei letztendlich das Ziel.
Gesellschaft gemeinsam gestalten
BIWEP leiste mit seiner Netzwerkarbeit in den Dörfern und Gemeinden im Pustertal bis hin zur bezirksweiten Ebene eine beeindruckende Querschnittsaufgabe, stellte Familienlandesrätin Rosmarie Pamer fest. Auch als Familienpolitikerin wolle sie sich nicht auf das eigene Ressort beschränken, sondern mit anderen zusammenarbeiten und sie an einen Tisch bringen. Eine inklusive Gesellschaft, die gemeinsam gestaltet wird, sei eine tolle Botschaft, sagte Pamer in Bezug auf den Beitrag von Kathia Nocker. Vereinbarkeit von Familie und Beruf bringe die verschiedenen Systeme zusammen, sofern diese offen sind, ergänzte Elisabeth Frenner, Gemeindereferentin für Familie in Enneberg und Vorstandsmitglied von BIWEP.
Arbeitgeber fördern Familien
Es sei ein Treffpunkt für Familien seit fast 30 Jahren, hielt Waltraud Hitthaler, Präsidentin des ELKI Bruneck fest. Zum Audit „familieundberuf“ sei sie durch ein Gespräch mit einem Unternehmer gekommen. Bis vor fünf Jahren gab es nur ehrenamtlich Beschäftigte, seither gibt es drei hauptamtliche Mitarbeiterinnen – und sie alle gemeinsam profitierten von den verschiedenen Vorteilen des Audits, für das sich das ELKI Bruneck bewusst entschieden hat.
Mit der Verleihung des dauerhaften Zertifikats „familieundberuf“ gehört BIWEP nun zu jenen 28 Arbeitgebern in Südtirol, die alle Phasen des Audits vollständig abgeschlossen haben. Auch beim Bildungsweg Pustertal war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stets ein zentrales Thema, deshalb wurde es systematisch verfolgt, so Elisabeth Frenner. Vereinbarkeit habe immer eine gesellschaftliche Dimension, betonte hingegen Alfred Aberer, Generalsekretär der Handelskammer Bozen. Aufgrund des Fachkräftemangels müsse man heute und in Zukunft mit weniger Personal auskommen und deshalb eine gute Vereinbarkeit ermöglichen. Auditorin Marlene Preims, die den Bildungsweg Pustertal beim Auditierungsverfahren über mehrere Jahre lang begleitet hat, machte deutlich, dass sie fest davon überzeugt sei, dass wir als Gesellschaft das Audit brauchen. Ihr habe gefallen, dass BIWEP so ein offenes System ist und Irmgard Pörnbacher als langjährige Geschäftsführerin es bestens verstanden habe, kontinuierlich offen zu bleiben und sich in Richtung Gesellschaft zu bewegen. BIWEP habe immer viel Wert auf Kommunikation gelegt. Vorbild zu sein in einem sozialen System sei etwas sehr Wichiges – und BIWEP sei Vorbild in vielerlei Hinsicht. Schließlich bekräftigte Heiner Nicolussi-Leck, Vorsitzender von BIWEP, dass auch der Vorstand jederzeit hinter dem Audit stand.
Vorreiter im Pustertal
Auf dem Podium stellten sich Rosmarie Pamer, Elisabeth Frenner, Bürgermeister Walter Huber und Gemeindereferentin Maria Luise Fink aus Vintl, Gemeindereferentin Sara Clara aus St. Martin in Thurn sowie Sonja Weis, Präsidentin der Kinderfreunde Südtirol den Fragen von BIWEP-Vorstandsmitglied Edith Strobl. Sie alle setzen sich seit vielen Jahren für die Familien und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Zusammen mit verschiedenen Anbietern wie den Kinderfreunden Südtirol werde aktuell an einem Modell gearbeitet, um Ansuchen und Abrechnungen für die Sommerbetreuung zu vereinfachen, teilte die Landesrätin in Richtung der anwesenden Sommerbetreuer mit. Vorreitergemeinden wie Vintl, Enneberg und St. Martin in Thurn ermöglichen mit ihrem täglichen Mittagstisch in Grund- und Mittelschulen einen guten Spielraum für die Vereinbarkeit, fasste Rosmarie Pamer zusammen. Die Landesregierung habe sich die einheitlichen Bildungszeiten, wie sie in den drei genannten Gemeinden bereits seit Langem bestehen, zum politischen Ziel gesetzt – und sie sei überzeugt von diesem Modell.